Architekturhistoriker Dr. Carsten Schmidt blickt bei seinem Vortrag hinter die Fassaden von Berlin-Mitte und geht auf Spurensuche nach den verstecken Synagogen in den Hinterhöfen der einstigen Mietkasernenviertel. Er gibt einen Überblick über die Bauwerke, deren Geschichte stets mit einem kleinen Verein und einer unmittelbaren Nachbarschaft verbunden war, rekonstruiert ihre baukünstlerische Gestaltung und zeigt die Merkmale auf, die sie von den großen, bekannten Berliner Synagogen unterscheiden. Dafür werden Rechercheergebnisse für sein neuestes Buch „Synagoge Feuerland: Der zerstörte Tempel von Berlin-Mitte“ einfließen.
Donnerstag, 16.10.2025, 18:00 - 20:00 Uhr
Berlin-Mitte birgt Geheimnisse, die sich erst beim zweiten Blick erschließen. Zwischen den Höfen der alten Mietskasernen lagen um 1900 kleine Synagogen, die heute fast vollständig in Vergessenheit geraten sind. Architekturhistoriker Dr. Carsten Schmidt lädt in seinem Vortrag dazu ein, hinter die Fassaden zu schauen und die Geschichten dieser verborgenen Orte neu zu entdecken.
Im Mittelpunkt stehen drei Hofsynagogen, die einst fest im Alltag ihrer Nachbarschaften verankert waren. In der Brunnenstraße entstand 1910 eine schlichte Hofsynagoge für den Verein Beth-Zion, die zu einem Zentrum für religiöses Leben und Begegnung in dieser Gegend wurde. In der Prinzenallee am Gesundbrunnen, versammelte sich der Synagogenverein Ahavas Achim, der seine wachsende Gemeinde mit einer ebenfalls bescheidenen, aber durchaus repräsentativen Bau prägte. Und in der Liesenstraße ließ der Verein Ohel Jizchak, gegründet 1879, im Jahr 1899 eine Hofsynagoge mit Garten errichten, die gut vier Jahrzehnte lang Mittelpunkt des religiösen Lebens in der Oranienburger Vorstadt war. Später verlief genau hier die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin, weshalb dieses Bauwerk und dieser Ort vollkommen in Vergessenheit geraten sind.
Die drei Hofsynagogen waren keine monumentalen Repräsentationsbauten, sondern Häuser der Nähe, getragen von Vereinen, Nachbarschaften und persönlichen Geschichten. Sie zeigen eine andere, bislang kaum beachtete Seite der jüdischen Stadtgeschichte – bescheidener, intimer und zugleich tief in das Leben ihrer Kieze eingewoben. Schmidt rekonstruiert nicht nur die Architektur dieser Orte, sondern auch die Atmosphäre des Gemeindelebens, das sich in diesen besonderen Höfen entfaltete. Er zeichnet Rabbiner-Persönlichkeiten und Gemeindemitglieder nach und verknüpft zeitgenössische Quellen zu einem lebendigen Bild jüdischer Alltagswelten in Berlin.
Auch Erkenntnisse aus seinem neuen Buch Synagoge Feuerland: Der zerstörte Tempel von Berlin-Mitte fließen in den Vortrag ein. Darin zeichnet Schmidt die Geschichte der heute verschwundenen Synagoge in der Liesenstraße nach. Das Werk rekonstruiert nicht nur den Bau und seine architektonische Bedeutung, sondern auch die sozialen und kulturellen Zusammenhänge des Berliner „Feuerlandes“, eines Viertels, das zugleich Wiege der Industrie und Heimat einer lebendigen jüdischen Gemeinde war.
Carsten Schmidt, 1977 in Potsdam-Babelsberg geboren, promovierte am Friedrich-Meinecke-Institut bei Prof. Dr. Paul Nolte über die architektonische und städtebauliche Transformation New Yorks von 1929 bis 1969. Heute ist er als Architekturhistoriker tätig und befasst sich mit der Stadtentwicklung Berlins sowie mit den Spuren jüdischen Lebens und seiner Bauwerke.
Das Buch "Synagoge Feuerland: Der zerstörte Tempel von Berlin-Mitte" erscheint zur Frankfurter Buchmesse, im Oktober 2025, bei Hentrich & Hentrich.
Die Veranstaltung findet im Mitte Museum, Pankstraße 47, 13357 Berlin statt.
Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Eintritt ist frei.